Ausführliche Information zum veränderten Bebauungsplan 60 in der Müggelspreehalle

Die Gemeindevertreter von Grünheide haben sich am Dienstag, 23. April, zu einer öffentlichen Sondersitzung in der Hangelsberger Müggelspreehalle getroffen. Die Tagesordnung drehte sich nur um ein Thema: den veränderten Bebauungsplan 60 und die damit geplante Erweiterung der Gigafactory um einen Güterbahnhof, um weitere Lager- und Logistikflächen sowie die verkehrliche Erschließung des Werkes, des Güterbahnhofs und des geplanten neuen Verkehrshaltes Fangschleuse.

„Das ist keine Drohung, wir zeigen nur die Konsequenzen auf.“

Um dem Bürgervotum aus der Einwohnerbefragung nachzukommen – 61 Prozent der Grünheider hatten sich bei einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent dagegen ausgesprochen, dass 100 Hektar Wald für die Ausweitung der Industrieansiedlung gerodet werden –, war der Plan unter Hochdruck umgearbeitet worden. Denn: Auch – aus Sicht der Fachleute dringend notwendige – Infrastrukturvorhaben würden bei einer generellen Abkehr von der B-Planung auf der Strecke bleiben. Das würde, und darin waren sich am Dienstagabend alle an der Planung beteiligten Experten einig, zu einem großen Problem für Grünheide und die Region darüber hinaus führen, würde sich negativ auf die Einwohner, die Werksentwicklung, die Infrastruktur sowie die Umwelt auswirken. Die in aller Deutlichkeit vorgetragene Situation wurde von einigen Kritikern allerdings als „Drohung“ bezeichnet. „Das ist keine Drohung, wir zeigen nur die Konsequenzen auf“, wies Peter Schulze, Projektleiter von DB Infra Go AG (der Verantwortliche für die Planungen im Bereich des öffentlichen Güterverkehrs) die Unterstellung zurück.

Es gibt „technische Zwangspunkte und einen engen Zeitplan“

Gestartet war die Sitzung, die final vier Stunden dauerte und aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht zu Ende geführt werden konnte, mit einer einstündigen Präsentation. Im Auditorium hatten sich etwa 70 Leute eingefunden – zwei Drittel interessierte Bürger und ein Drittel Fachleute, die für Fragen zur Verfügung standen. Birgit Flügge von der Landesentwicklungsgesellschaft Brandenburg i.L., die Grünheide im B-Planverfahren administrativ unterstützt, skizzierte anfangs die Prämissen, die dem veränderten Papier zugrunde liegen. Es gehe gemäß dem Bürgerwillen um maximalen Walderhalt, aber es gebe auch gewichtige Argumente, die Planung fortzuführen. Diese allerdings müsse sich „technischen Zwangspunkten und einem engen Zeitplan“ unterwerfen. „Eine Planung ist immer ein Ausgleich von Interessen, und den haben alle Beteiligten gemeinsam versucht“, sagte Birgit Flügge.

Veränderter Bebauungsplan 60 "Service- und Logistikzentrum Freienbrink Nord" Screenshot: www.gruenheide-mark.de
Veränderter Bebauungsplan 60 „Service- und Logistikzentrum Freienbrink Nord“ Screenshot: www.gruenheide-mark.de

Hier ein Überblick zu den Fachbeiträgen

Kerstin Zwirn, Planungsbüro Stadtkontor: Der inhaltliche Schwerpunkt des veränderten Plans liege auf den Infrastrukturprojekten, der Erweiterung des Betriebsgeländes in sehr reduzierter Form sowie dem Walderhalt. Die zu rodende Waldfläche sei um rund 70 Hektar reduziert. 47 ha sollen dauerhaft als Wald festgesetzt werden, 18 ha sollen Flächen mit einer sogenannten Erhaltungsbindung „Waldbestand“ umfassen sowie 5,5 ha Wald am bisherigen Bahnhof erhalten bleiben.

Fachkompetenz: Die an der Planung beteiligten Behörden, Büros und Tesla hatten Mitarbeiter geschickt, die Rede und Antwort standen. Foto: Anke Beißer
Fachkompetenz: Die an der Planung beteiligten Behörden, Büros und Tesla hatten Mitarbeiter geschickt, die Rede und Antwort standen. Foto: Anke Beißer

Stefan Friedemann, Ingenieurgruppe für Verkehrswesen und Verfahrensentwicklung: Der Verkehrsplaner nannte die höchstmögliche Nachhaltigkeit und umweltfreundliche Entwicklung als Maßstab. Der Investor (Tesla) habe hier mit dem Shuttleangebot von Bus und Bahn („meines Wissens nach einmalig in Deutschland“) sowie der Anbindung an die Autobahn schon viel unternommen, um die Verkehrsbelastung zu minimieren. Es gebe ein Carpooling sowie Pläne für Dachparkplätze auf dem bestehenden Werksgelände (statt weiterer versiegelter Flächen am Boden). All das seien Ansätze, um die Region zu schonen. „Geänderte Planungsrahmenbedingungen“ gegenüber dem Bebauungsplan 13, der sich schon einmal mit den jetzt neu betrachteten Infrastrukturprojekten befasst hat, machen dessen Umsetzung in dem Bereich nicht mehr möglich. Aktualisierte Prognosen bescheinigten einen Anstieg des Verkehrsaufkommens um 25 Prozent („auch ohne Tesla“).

Neu gegenüber dem B-Plan 13 seien folgende Konstellationen: Der angenommene Lkw-Pendelverkehr zwischen dem Güterverkehrszentrum und Tesla findet nicht satt, weil vorrangig die temporäre Autobahnanschlussstelle Freienbrink Nord genutzt werde. Gemäß der jetzigen Planung sollen 90 Prozent des Lkw-Verkehrs über die nördliche Netzergänzungstrasse (Landesstraße 386 parallel zur Bahntrasse mit Autobahnanschluss) rollen und die Landesstraße südlich von Tesla sowie die Autobahnanschlussstelle Freienbrink vorrangig den Güterverkehr des GVZ aufnehmen. Ein weiterer Punkt sei, dass sich seit der alten Planung (BP 13) durch die politische Weltlage die Stabilität der Lieferketten verändert hat. Der werkseigene Güterbahnhof könne für eine Einsparung von 1900 Lkw-Fahrten pro Tag sorgen.

Peter Schulze, Deutsche Bahn (DB Infra Go AG): Der Projektleiter skizzierte die Schlüsselstelle, um die sich die gesamte Planung rankt. Die Bahn plant in Fangschleuse zwischen der Autobahn und dem Bahnhof (alt) einen leistungsfähigen Übergabebahnhof – nicht nur für Tesla. Bisher gibt es hier nur eine Überholstelle. Dieses Projekt ist neu, hat zu Zeiten des B-Plan 13 noch keine Rolle gespielt. Der Bund habe das Projekt erst danach in seinen Bedarfsplan aufgenommen und somit die tiefgehende Planung möglich gemacht ist. Der Bahnhof ist ein kompliziertes Konstrukt, das vielen bahntechnischen Parametern gerecht werden muss. Laut Schulze wurden drei Szenarien analysiert. Und nur eine hat sich als praktikabel erwiesen, also als eine Lösung, die sowohl die Betriebsqualität des RE 1 aufrecht erhält als auch einen reibungslosen Güterverkehr auf der hochfrequentierten Strecke garantiert. Auf den zwei Gleisen gebe es einen Mischverkehr mit Personenzügen, die diese mit Tempo 160 nutzen, dem RE1, der Zwischenstopps einlegt, und einem Güterverkehr, der mit Tempo 100 bis 120 unterwegs ist. Um hier gefahrlos und für den Verkehrsfluss störungsfrei ein- und ausfädeln zu können (die Güterzüge sind 740 Meter lang und brauchen für die Ausfahrt auf die Strecke eine Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometern), muss der Abzweig zum Werk – unter Einhaltung der erforderlichen Kurvenradien – gegenüber der Planung im BP 13 weiter nach Osten verschoben werden. Der veränderte BP 60 markiert den frühesten Abzweigpunkt. Ein Verrücken der Anlage in Richtung Autobahn und darüber hinweg in Richtung Westen bezeichnete Schulze als nicht umsetzbar.

Der von der DB geplante Übergabebahnhof: Der Platzbedarf und die genaue Lage für eine leistungsfähige Anbindung des Güterverkehrs hat sich in einer tiefgreifenden Betrachtung ergeben, die nach dem B-Plan 13 vom Bund initiiert wurde. Foto: Anke Beißer
Der von der DB geplante Übergabebahnhof: Der Platzbedarf und die genaue Lage für eine leistungsfähige Anbindung des Güterverkehrs hat sich in einer tiefgreifenden Betrachtung ergeben, die nach dem B-Plan 13 vom Bund initiiert wurde. Foto: Anke Beißer

Der zeitliche Ablauf dränge, weil die Bahntrasse nur bis 2026 mit Bauarbeiten belegt werden dürfe. 2027 und 2028 dient sie als Umleitungsstrecke für andere Netz-Projekte im Rahmen der überregionalen Bahnbetriebsplanung. Auch der neue Haltepunkt für den Personenverkehr müsse bis dahin abgeschlossen sein. Der mache aber nur im Verbund mit der Anbindung Sinn.

Roland Neumann, Bahnstadt: Das Projekt des neuen Verkehrshaltes bringt für die Gemeinde die Planung des Bahnhofsvorplatzes mit sich. Er soll 6 Bushaltestellen, 500 Pkw-Stellplätze und 150 Fahrradabstellplätze umfassen und nun um ein Areal erweitert werden, das ein Servicegebäude (von Tesla errichtet) als zentrales Objekt sowie verschattete Wartebereiche enthält. Es mache den elementaren Unterschied zum B-Plan 13 aus, dass die Gemeinde die Entscheidung zu dem prägenden Element erhält.

Marko Jürgen, Landesbetrieb für Straßenwesen: Nach der Tiefenplanung der DB seien die Arbeiten auf Grundlage des B-Plan 13 nicht fortgeführt worden. Die Verschiebung des Bahnbauwerks (Weiche) habe entscheidenden Einfluss auf die Trassierung. Zudem hat die Anbindung des Vorplatzes sowie der Betriebsparkplätze ein Nachjustieren erfordert. Die Anzahl der Kontenpunkte auf der Landesstra0e sei von fünf auf vier reduziert worden. Da die Parkplätze jetzt komprimierter geplant sind, ist nun mehr Platz, um das Straßenlayout einfacher zu gestalten. Die Logistikzufahrt rückt, korrespondierend mit dem Gleiskörper, weiter nach Osten. Da noch unklar ist, wann die Autobahnanbindung hergestellt werden kann (laut Autobahn GmbH doch nicht bis 2026, da es noch keinen Planfeststellungsbeschluss gibt), wird der Verkehr anfangs über die temporäre Autobahnanschlussstelle geführt.

Sascha Gehm, Vize-Landrat und Umweltdezernent: Das Radwegenetz ist mit einem Teilabschnitt vom BP-60 betroffen – der Verbindung zwischen „autobahnbegleitendem Radweg“ ab Tesla-Radweg gen Norden. Die vorgesehene Trasse liegt derzeit im Bereich des B-Plan 13 und somit in einem Industriegebiet. Da der benötigte Lückenschluss als öffentlicher Radweg ausgebaut werden soll, muss die Fläche, auf der er liegt, aus dem Industriegebiet ausgegliedert werden. Zudem verwies Gehm im Laufe des Abends ergänzend darauf, dass es eine, am Bedarf des Schülerverkehrs ausgerichtete Busanbindung geben wird.

Theresa Eggler, Tesla, Mitarbeiterin externe Projekte: Die Gigafactory verfolge nach wie vor das mittel- und langfristige Ziel zu wachsen (bis zu 40.000 Mitarbeiter, 2 Millionen Fahrzeuge pro Jahr). Der aktuelle, kurzfristige Stellenabbau habe mit dieser Strategie nichts zu tun und sei eine momentane Schwankung aufgrund der allgemeinen Absatzlage in der E-Mobil-Branche. Alle dargestellten Infrastrukturmaßnahmen seien eng miteinander verzahnt. Ziel sei es, den Verkehr so weit wie möglich von der Straße auf die Schiene als dem CO²-armen Transportweg zu bekommen. Der vorliegende Entwurf ergebe sich aus der Berücksichtigung besagter Zwangspunkte. 24 Zugpaare pro Tag (16 für Fahrzeuge und 8 für Material) kann die neue Anbindung aufnehmen. Es soll ein privates (Tesla) und ein öffentliches Gleis geben, das dann auch vom GVZ genutzt werden kann. Die Verbindung dorthin bleibt so wie heute bestehen.

Präsentation von Tesla: Planskizze zum Standort des Güterbahnhofs im Zusammenspiel mit den Zwangspunkten. Foto: Anke Beißer
Präsentation von Tesla: Planskizze zum Standort des Güterbahnhofs im Zusammenspiel mit den Zwangspunkten. Foto: Anke Beißer

Hendrikje Leutloff, Szamatolski Schrickel Planungsgesellschaft mbH: Das in Frage stehende Waldstück bestehe zu 90 Prozent aus Kiefernwald, der in Teilbereichen mit Laubgehölzen unterbaut ist. Die Bäume seien zur Hälfte älter als 100 Jahre. Die Kompensationsmaßnahmen für die Rodung sind im unmittelbaren Umfeld mangels geeigneter Flächen nicht möglich. Die festgelegte Maßgabe, den Ausgleich im gleichen Naturraum wie das Plangebiet vorzunehmen, sei aber umsetzbar. Es handele sich um das Ostbrandenburgische Heide- und Seengebiet und hier wurde durch die Flächenagentur Brandenburg für den Waldumbau genehmigtes Ackerland nahe Beeskow (in Privatbesitz) akquiriert. Es handelt sich um 72 Hektar in Merz, Krügersdorf und Grunow. Aufgrund der anteiligen Lage im Trinkwasserschutzgebiet reiche aber eine Kompensation 1 zu 1 nicht aus. Deshalb wurden mit dem Stadtforst Fürstenwalde eine Waldaufwertung auf 73 Hektar, eine etwa 15 Kilometer lange Waldrandgestaltung sowie das Anpflanzen von 40 Baumgruppen vertraglich vereinbart. Die Forstbehörde habe sich zum veränderten B-Plan 60 mit Schreiben vom 3. April 2024 ebenso zustimmend geäußert wie zu den Ausgleichsmaßnahmen.

Alternativvariante der Fraktion Bürgerbündnis: Der Wald bliebe als zusammenhängender Biotop erhalten, der Wasserschutz gewahrt - die Zuwegung trifft jedoch nicht ganz den von der DB als unumgänglich gesetzten Abzweig nicht ganz. Foto: Anke Beißer
Alternativvariante der Fraktion Bürgerbündnis: Der Wald bliebe als zusammenhängender Biotop erhalten, der Wasserschutz gewahrt – die Zuwegung trifft jedoch nicht ganz den von der DB als unumgänglich gesetzten Abzweig nicht ganz. Foto: Anke Beißer

Marten Lange-Siebenthaler, mit Rederecht für die Fraktion Bürgerbündnis: Der Alternativvorschlag startet den Versuch, alle benötigten Anlangen außerhalb des Landschaftsschutzgebietes zu platzieren. So würden der Biotopverbund und eine größere Waldfläche erhalten. Zudem würde der Güterbahnhof aus der Trinkwasserschutzzone herausrücken. Allerdings müssten neben Gleiskörper und Güterbahnhof auch die Logistik-Zufahrt und die Lager- und Logistikflächen planerisch angepasst werden. Er schlug zudem vor, dass Tesla prüfen solle, in die Höhe statt nur in der Breite zu bauen. Peter Schulze von der deutschen Bahn, wies nach erstem Draufblick auf die nicht weit genug nach Osten verschobene Weiche (Absprungpunkt) hin, bot aber an, für Gespräche zur Verfügung zu stehen. (Anke Beißer)

Die nicht behandelten Anträge der Fraktion Bürgerbündnis werden zu Beginn der turnusmäßigen Sitzung am 16. Mai aufgerufen. Die vollständige Präsentation vom 23. April 2024 in der Müggelspreehalle Hangelsberg gibt es hier.