Familien lassen Lurche im Krötentaxi die Straßenseite wechseln

„Wenn wir die Dynamik Jahr für Jahr wiederholen könnten, wäre das echt klasse und der Versuch geglückt, eine neue Generation von Krötenrettern an den Start zu bringen.“ Julia Galow, die Initiatorin der diesjährigen Aktion, ist begeistert über die Resonanz, die sie bei Freunden, Bekannten und Fremden, die inzwischen keine mehr sind, gefunden hat. Der vorsichtige Versuch, über einen Handy-Statusaufruf Unterstützer zu finden, hatte sich im Schneeballprinzip verbreitet. Und so sind es 26 Familien geworden, die sich regelmäßig in den Gruppenkalender für die Früh- oder Spätschicht eintragen, um in Höhe Priestersee und Altbuchhorst die Kröten aus den Eimern zu sammeln und sicher über die Straße zu bringen.

Bei Wind und Wetter unterwegs: Sie alle gehören zu den Ehrenamtlern, die 2024 die Krötenwanderung abgesichert haben. Foto: Ronja Galow
Bei Wind und Wetter unterwegs: Sie alle gehören zu den Ehrenamtlern, die 2024 die Krötenwanderung abgesichert haben. Foto: Ronja Galow

Die lebensrettende Hilfe bei der Krötenwanderung stand 2024 von Anfang an unter einem guten Stern. Der seit vielen Jahren herbeigesehnte Generationswechsel in der Helferschaft wurde dank Julia Galow, die selbst seit fünf Jahren zu den Aktiven gehört, erfolgreich herbeigeführt. „Ich denke, unsere Kommunikationswege haben dabei sehr geholfen, Leute zu erreichen und zu mobilisieren“, sagt sie.

Erstmals Zäune für Hin- und Rückweg

Schon der Zaunaufbau klappte erstmals in beiden Richtungen – sowohl der Hin- als auch der Rückweg ist nun durch ein schützendes Hindernis versehen. „Es war nicht schön anzusehen, dass wir auf dem Hinweg die erwachsenen Tiere zwar retten können, der Rückweg für viele, auch den Nachwuchs, jedoch trotzdem tödlich endete“, sagt die Naturschützerin. Es hatte aber bisher nicht nur an dem Zaunmaterial gefehlt, sondern vor allem an jenen, die dann ja auch für den doppelten Zeitraum als „Krötentaxi“ zur Verfügung stehen müssten. „Jetzt sind wir so viele, und mit so viel Elan, dass wir das hinbekommen“, erzählt die Altbuchhorsterin. Zumal: Je größer die Zahl der Helfer, umso geringer die Zahl der Einsätze. „Wir sind jetzt viel flexibler; statt zweimal tagtäglich gehen manche dreimal die Woche, manche sogar weniger.“

Reiche Ausbeute: Die Eimer sind oft gut gefüllt - für die Kröten der sichere Weg über die Straße. Foto: Julia Galow
Reiche Ausbeute: Die Eimer sind oft gut gefüllt – für die Kröten der sichere Weg über die Straße. Foto: Julia Galow

Zu den Ehrenamtlern gehört auch Carolin Biedermann, deren zwölfjährige Tochter Thea, als sie von dem Aufruf hörte, spontan entschieden hat: „Lass uns mitmachen!“ So wie bei ihr ist es bei vielen, die den Weg zu den Krötenzäunen zum Beispiel für einen Spaziergang mit ihren Kindern nutzen. Die Mädchen und Jungen seien meist „schwer begeistert“ – so wie die Vorschulkinder aus der Kita Regenbogenhaus. „Sie sind von Eimer zu Eimer gerannt, haben sich darüber gefreut, wenn sie Kröten entdeckt haben. Die Hälfte hat sich auch sofort getraut, sie anzufassen, andere nach einer Ermutigung, und ein paar garn nicht,“ erzählt die Fangschleuserin.

Ein besonderer Ausflug: Die Vorschulkinder aus der Kita Regenbogenhaus haben Kröten nicht nur über die Straßen sondern bis zum Priestersee gebracht. Foto: Lea Weinand
Ein besonderer Ausflug: Die Vorschulkinder aus der Kita Regenbogenhaus haben Kröten nicht nur über die Straßen sondern bis zum Priestersee gebracht. Foto: Lea Weinand

Die Beweggründe, sich dem Helferkreis anzuschließen, sind sehr unterschiedlich. Oft sind es tatsächlich die Kinder. Carolin Biedermann gehört zudem zu jenen, die ihre Hunde-Runde für die Krötenrettung nutzen. „Unser spanischer Wasserhund Chewie ist ein richtiger Krötensuchhund“, schmunzelt sie. Er zeige an, in welchem Eimer sie sind und habe großen Spaß daran. Bei Julia Galows Hunden ist das anders. „Sie mögen den Ausflug zu den Eimern gar nicht.“ Wieder andere haben sich an dem Anblick der zu Hauf überfahrenen Kröten gestört und wollten helfen, hier einzugreifen. Und mit Torsten Löchelt hat sich zum Beispiel ein Fangschleuser dem Team angeschlossen, der darin einen Ausgleich zum Homeoffice sieht.

Statistik weist mehr gerettete Kröten in Altbuchhorst aus 

„Er hat zudem angeboten, unsere Statistik zu führen“, freut sich Julia Galow über das Engagement. Die meisten Lurche konnten in Höhe Priestersee gerettet werden. Bis zum Wochenende (14. April) waren es mit 2250 auf dem Hinweg etwa genauso viele wie im Vorjahr. 222 wurden bereits auf dem Rückweg über der Straße gebracht. Hier in Fangschleuse war die Zahl nach einem Hoch zwischen 2013 (2840 Tiere) und 2015 (4206) bis 2021 rückläufig (863) und stabilisiert sich jetzt offenbar wieder. 862 Kröten auf dem Hinweg in Höhe Altbuchhorst bedeuten, dass im Vergleich zum Vorjahr auf dem Weg zum Möllensee deutlich mehr Tiere gerettet werden konnten. Bisher sind auf dem Rückweg 27 in die Eimern gelandet. Wie Juli Galow jedoch einschränkt, sei die Statistik nicht zu hundert Prozent verlässlich. „Wir wissen nicht, ob auch wirklich alle, die im ,Krötentaxi‘ die Straßenseite wechseln, gemeldet werden“, schränkt die Initiatorin ein.

Landesumweltamt untersucht auf Herpesviren

Was den Grünheider Artenschützern zudem gelungen ist: Sie konnten Jörg Plöter vom Landesumweltamt für eine Beprobung der Kröten auf das Herpesvirus gewinnen. Er war für seine Untersuchung vor Ort und hat Julia Galow eingewiesen, dieselbe fortan fachgerecht vorzunehmen. Sie begutachtet die Kröten also an Bauch und Rücken auf der Suche nach den entsprechenden Flecken und nimmt einen Abstrich. „Ich kann aber nicht alle Tiere erfassen. Wenn es zu viele sind, geht das Retten vor.“

Abstrich: Durch die Beprobung soll der Befall mit Herpesvieren untersucht werden. Foto: Julia Galow
Abstrich: Durch die Beprobung soll der Befall mit Herpesvieren untersucht werden. Foto: Julia Galow

Jetzt geht es bei der 2024er-Aktion aufs Ende zu. Am 24. April werden die Zäune für den Hinweg abgebaut. Hilfe kommt hierbei von einigen Sammlern, der Tesla-Truppe und der Format gGmbH, die schon beim Aufbau geholfen hatten. Die andere Seite bleibt noch bis in den Mai hinein stehen. Bis dahin werden die meisten Großtiere zurück sein. „Auf die ganz kleinen Kröten warten wir vorerst noch nicht, da sie viel empfindlicher sind und ich auch Sorge habe, dass sie bei zu heißen Temperaturen in den Eimern vertrocknen. Sie laufen zu lassen, ist aus derzeitiger Sicht effektiver“, schätzt die Fangschleuserin ein. Außerdem müssten die Zäune dann bis in den August stehen bleiben und ein derartiges Eingreifen in die Natur – es fallen ja auch  Käfer, Spinnentiere, Schlangen und mehr in den Eimer – möchte die Ehrenamtlerin nicht verantworten. Um das Ausweiten des Zeitraums einschätzen zu können, müsse sie vorab mit den Forstmitarbeitern und Forschern sprechen, vielleicht ein nächstes Projekt … Julia Galow zeigt sich angesichts der Aktion, der Hilfe und des Ergebnisses sehr zufrieden. „Ich hoffe, die Familien und Teams halten ihre Begeisterung hoch und helfen 2025 wieder mit.“ (Anke Beißer)