Da hat Martin Wiegold nicht schlecht gestaunt: Beim Ehrenamtstag Ende November im Störitzland lief er geschäftig über die Bühne, reichte die Präsente an, ließ die Geehrten zum Gruppenfoto aufstellen, räumte das Rednerpult hin und wieder weg – und hörte plötzlich seinen Namen. Verdutzt nahm er wahr, dass er ins Rampenlicht gerufen wurde. Und kaum stand er da, reihte sich eine Schlange von Jugendlichen vor ihm auf, um ihm für sein Engagement in der Gemeinde zu danken. „Aber das ist doch mein Job!“, konnte sein ungläubiger Gesichtsausdruck gedeutet werden. Die jungen Leute waren jedoch der Meinung, dass Martin Wiegold mehr gibt als das, und haben ihn mit Dankeschön-Orden und Lieblingsschokolade überrascht.
Der 35-Jährige ist zwar ein (aus Erkner) „Zugezogener“, der auch heute wieder in der Nachbarstadt lebt, aber genau genommen ist er Grünheider durch und durch. Er habe in seiner Anstellung als Jugendkoordinator nicht nur seinen Beruf, sondern seine Berufung gefunden, sagt er von sich selbst und beweist das immer wieder auf Neue. „Dienst nach Vorschrift? Das gibt es für mich nicht.“
„Entweder du gehst in die Feuerwehr oder zum Handball“
In Erkner aufgewachsen, die Grund-, Realschule und schließlich das Gymnasium besucht, hat es ihn mit 18 Jahren mit seiner Mutter nach Grünheide verschlagen. Um hier heimisch zu werden, hatte ihm ihr Vermieter zwei Option aufgezeigt. „Entweder du gehst in die Feuerwehr oder zum Handball“, lautete die durchaus mit leichtem Nachdruck geäußerte Empfehlung. „Für den Sport fehlte mir die Zeit, also bin ich gleich nach dem Umzug 2007 in die Feuerwehr eingetreten. Und bin noch heute dabei“, sagt Wiegold. Damals engagierte er sich als stellvertretender Jugendfeuerwehrwart. Nach dem Abitur zog er nach Potsdam, absolvierte eine dreijährige Ausbildung zum Kaufmann für Versicherung und Finanzen und hat in dem Beruf auch ein Jahr lang gearbeitet. „Die Wochenenden habe ich aber immer in Grünheide verbracht.“

Mit seiner damaligen Freundin, die sich in Berlin zur Erzieherin ausbilden ließ, besuchte er den Tag der offenen Tür an ihrer Ausbildungsstätte. „Ich hatte hier und da schon die Empfehlung bekommen, ich soll wegen meiner Art des Umgangs mit Kindern und Jugendlichen doch Lehrer werden. Aber das wollte ich nicht. Bei der Veranstaltung sah ich, dass es durchaus männliche Erzieher gibt und bekam ernsthaft Lust, noch mal was Neues zu lernen.“
Nach der Ausbildung war vor der Ausbildung
Gesagt, getan. Die Ausbildung (in Vollzeit) zum Erzieher finanzierte er mit seiner Arbeit in einer Wohngruppe des Deutschen Roten Kreuzes in Erkner. Jetzt wohnte er auch wieder in der Hauptmann-Stadt, blieb aber der Feuerwehr in Grünheide und deren Nachwuchsabteilung treu. Nach dem erfolgreichen Abschluss fand Wiegold eine Anstellung beim Berliner Senat, in einer Brennpunktschule in der Köllnischen Vorstadt (eine Ortslage von Köpenick). „Die drei Jahre dort haben mich geprägt.“
Bei der Jahreshauptversammlung der Feuerwehr wurde er Ende 2016 auf eine neu geplante, zweite Stelle in der Jugendkoordination hingewiesen. „Karin Meinharth, die bisherige Jugendkoordinatorin, kannte ich und dachte, das könnte passen“, erinnert sich der 35-Jährige. Und die Bewerbung hatte Erfolg. „Ich habe hier inhaltlich zwar von null angefangen, war ja aber gut verwurzelt und hatte große Lust darauf, etwas zu entwickeln.“
Koordiniert die Jugendarbeit in den sechs Ortsteilen
Seine Arbeit ist zweifelsohne vielschichtig. Die Jugendarbeit in sechs Ortsteilen lässt sich schwer von zwei Koordinatoren bewerkstelligen. „Wir haben mittlerweile durchgehend Praktikanten, die mitlaufen und unterstützen“, sagt Wiegold. Statt Karin Meinharth, die inzwischen im Ruhestand ist, aber noch immer (zum Beispiel in Kienbaum) unterstützt, hat er seit dem 1. Februar Felix Jahnke an seiner Seite. „Ein echtes Eigengewächs“, freut sich der Chef. Jahnke hat in der Gemeinde den Praxisteil seine Erzieherausbildung absolviert, ist da schon viel mit seinem Mentor mitgelaufen und kann nun eigenverantwortlich einsteigen. Und es gibt einen großen Stamm an Ehrenamtlern, die in selbst geführten Jugendräumen Verantwortung tragen, bei Veranstaltungen helfen und so vom einstigen Clubgänger zum Ehrenamtler auf dem Gebiet geworden sind. „Sie haben alle eine Juleica-Ausbildung und somit das notwendige Know-How für dieses Engagement“, worauf der (inzwischen leitende) Jugendkoordinator Wert legt.
Was sein Aufgabenfeld anbelangt, so nehmen die mobile (Streetwork)- und die offene Treffpunktarbeit gut die Hälfte seiner Arbeitszeit ein. „Wobei ich der Ehrlichkeit halber sagen muss, dass ich nicht auf die Uhr schaue, Beruf und Ehrenamt zum Teil ineinander übergehen. Familienfreundlich ist das, was ich mache, nicht.“
Dass die Arbeit der Grünheider Jugendkoordination Früchte trägt, spiegelt sich zum Beispiel im Jugendclub im Robert-Havemann-Klubhaus wider und macht Wiegold durchaus stolz. „Wir haben hier bis zu 50 regelmäßige Besucher im Alter von 13 bis 27 Jahren. Das ist unser größter Anlaufpunkt.“ In den anderen Ortsteilen gehe es vor allem um die Möglichkeit besagter selbst geführter Jugendräume, was mitunter schon funktioniere, andernorts noch belebt werden soll.
Kennenlernen geht schon in der Grundschulzeit los
Den Rest seiner Arbeitszeit füllen Verwaltungstätigkeiten aus. Es gibt engen Kontakt zur Grundschule, im Kollegenkreis mit der Kinderkoordination und dem Familienzentrum. Projekte gehen hier ineinander über. „So lernen mich schon die Zehn-, Elfjährigen kennen, das künftige Clubklientel.“ Der 35-Jährige akquiriert Fördergelder, sucht Sponsoren, kümmert sich um die Kooperation mit Tesla, entwickelt mit Jugendlichen die Objekte weiter. „Wir haben vor ein paar Jahren den Garten am Grünheider Club angelegt, bewirtschaften ihn, haben einen Grillplatz gebaut und zuletzt den Bolzplatz beleuchtet.“ In dem Sinne solle es auch weitergehen.

Junge Leute mit einzubeziehen, sieht er auch als Weg, Vandalismus vorzubeugen. Was aber natürlich nicht heißt, dass Grünheide davor gefeit ist. Allerdings gelingt es Martin Wiegold dank seiner guten Vernetzung durchaus, den einen oder anderen Verschmutzer ausfindig zu machen. „Ich arbeite zudem eng mit der Jugendgerichtshilfe zusammen und habe im Jahr immer so drei bis vier ,Kandidaten‘, die bei mir ihre Sozialstunden abgelten.“
Beim Angeln Abstand vom Trubel gewinnen
Klingt alles in allem nach viel Trubel. Da wundert es nicht, auf welche Art und Weise der junge Mann Erholung sucht. Er verreise gern und freue sich darauf, so andere Menschen und Kulturen kennen zulernen. „Und ich gehe oft angeln, genieße dabei die Natur und die Ruhe.“
Allerdings ist das mit dem Ruhesuchen nur die halbe Wahrheit. Denn genauso sehr genießt Martin Wiegold das Gegenteil: Neben Feuerwehr und Handball gibt es im Ortsteil Grünheide eine dritte Leidenschaft, der man sich nur schwer entziehen kann – den Carneval. „Drei Jahre habe ich mich gewehrt, aber 2019 bin ich dann doch in den Grünheider Carneval Klub eingetreten und seither beim Männerballett dabei.“ Auch das sei ein probates Mittel, um abzuschalten, schmunzelt er. (Anke Beißer)