Mit der deutlich ablehnenden Haltung in beiden Befragungen – „Sollen weitere 100 ha Wald (im Landschaftsschutzgebiet) in der Gemarkung Grünheide (Bebauungsplan Nr. 60) in eine Industriefläche umgewandelt werden, die für Logistik, Lagerhaltung und soziale Gebäude genutzt werden?“ sowie „Soll es im Ortsteil Hangelsberg, im Waldgebiet ,Unsal‘ mit einer Fläche von 14 ha eine Einwohnerentwicklung von bis zu 800 Einwohnern geben?“ – haben die abstimmungs-berechtigten Grünheider ein klares Zeichen gesetzt. Auf beide Fragen hat die überwiegende Mehrheit mit Nein geantwortet.
Zumindest bezüglich der Tesla-Pläne hatte Bürgermeister Arne Christiani eher mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet. „Die hohe Beteiligung hat mich gefreut“, sagt er. Jetzt gelte es unter der Berücksichtigung der Bedenken und Hinweise nach einem Weg zu suchen, die bis zum Fahrplanwechsel 2026 notwendigen Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen. Es sei die Aufgabe, schnellstmöglich eine zustimmungsfähige Alternative zu erstellen.
Infrastrukturprojekte sind mit betroffen
Den Bebauungsplan 60 werde er in der vorliegenden Form nicht zur Abstimmung stellen, kündigt der Bürgermeister an. Grünheide als Vorhabenträger für den Bahnhofsvorplatz und das Land als Vorhabenträger für die neue Landesstraße stünden jetzt vor der großen Herausforderung, einen Weg zu finden, um für ihre Projekte Baurecht zu schaffen. Auch Tesla, müsse seine Vorstellungen neu überdenken, allen voran den Güterbahnhof.
Das Management hatte sich unmittelbar nach der Auszählung der Befragung am Dienstagabend wie folgt geäußert: „Es obliegt der Gemeinde Grünheide über das B-Plan-Verfahren zu entscheiden. Wir sehen, dass die Bürgerinnen und Bürger von Grünheide Sorgen in Verbindung mit der geplanten Flächenerweiterung haben. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass die logistische Optimierung des Werks ein großer Gewinn für die Gemeinde ist. Wir werden auf Basis des Feedbacks der letzten Wochen, gemeinsam mit allen Beteiligten weitere Schritte abstimmen. Ziel ist weiterhin, eine signifikante Verlagerung des LKW-Verkehrs auf die Schiene zu ermöglichen, sowie generell einen schnellen Infrastrukturaufbau rund um die Fabrik sicherzustellen.“
Am Projekt für den neuen Bahnhof wird weiter gearbeitet
Aber zurück zu Grünheide. Fakt ist, im Bebauungsplan 60 geht es bekanntlich nicht nur um die Flächenerweiterung von Tesla, die der Logistik, Lagerhaltung und Gebäuden für Service- sowie soziale Einrichtungen (wie Kita und Berufsschule) dienen sollte, sondern auch um Infrastrukturmaßnahmen im Zusammenhang mit dem neuen Verkehrshalt Fangschleuse und für die Erschließung der Gigafactory über eine zusätzliche Landesstraße. Letztere soll mit einer Überführung die Querung der Bahntrasse flüssig machen, die Zufahrt zum Werk aus Richtung Norden regeln und den Anschluss an die Autobahn Freienbrink Nord herstellen. Auf eine GiB-Anfrage an das Infrastrukturministerium im Potsdam schrieb Pressesprecherin Katharina Burkardt: „Zunächst einmal ist es aus unserer Sicht ein wichtiges Signal, dass über 5000 Einwohnerinnen und Einwohner von Grünheide von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben. Das Votum ist eindeutig, und die Bürgerinnen und Bürger haben damit klar ihre Sorgen im Zusammenhang mit der Erweiterung von Tesla zum Ausdruck gebracht. Dies gilt es ernst zu nehmen. Wir gehen davon aus, dass es Lösungsmöglichkeiten gibt, die sowohl den Interessen der Bürgerinnen und Bürger als auch den Interessen von Tesla für eine bedarfsgerechte Infrastruktur gerecht werden. Es bleibt nun abzuwarten, wie Tesla und die Gemeindevertretung mit der Entwicklung des B-Planes unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Einwohnerbefragung umgehen. Deshalb können wir heute auch noch keine Aussagen zu Auswirkungen auf die unterschiedlichen Infrastrukturen treffen.“ Ebenfalls betroffen ist der Landkreis, der an der Umsetzung des Radwegekonzeptes arbeitet. Somit ist auch der Weg vom neuen Bahnhof bis zur Autobahn (südlich der Bahntrasse) betroffen. Seitens der Pressesprecherin Karolin Ring hieß es: „Ohne B-Plan kein Baurecht.“
Was den neuen Bahnhof anbelangt, so sollte über den B-Plan zudem das Baurecht für das Parkdeck, den Fahrradabstellplatz sowie den Busbahnhof, also den Bahnhofsvorplatz, geschaffen werden. Der Tunnel (Unterführung der Gleisanlagen zwischen den Bahnsteigen) und der Bahnhof selbst sind von dem B-Plan nicht berührt. An der Umsetzung wird unvermindert weitergearbeitet.
Unberührt von dem Ergebnis der Befragung und den sich daraus ergebenden Folgen sind derweil nicht nur der neue Verkehrshalt, sondern auch die Erhöhung der Produktionskapazität und der Bau weiterer Produktionsstätten auf dem bestehenden Gelände des E-Automobilbauers, für die ein erstes Genehmigungsverfahren läuft.
Wohnbauflächen bleiben Mangelware
Was die Ablehnung der Wohnbebauung am „Unsal“ anbelangt, müssen nun alternativen Flächen für den dringend notwendigen Wohnungsbau gesucht werden. Im Ortsteil Hangelsberg sei das vermutlich schwierig, sagt Christiani. Zur Erinnerung: Auch der Hangelwald als möglicher Lückenschluss war in der Diskussion um die Ausweisung von Wohnbauflächen abgelehnt worden. Hinsichtlich der Perspektive für die Grundschule mit Standort Hangelsberg müsse zudem nach der Entwicklung der Wohnbaufläche in Kagel und dem dort zu erwartenden Zuzug womöglich die Schulbezirkssatzung auf den Prüfstand gehoben werden, gibt der Bürgermeister zu bedenken. (Anke Beißer)