Schmuckstück entpuppt sich als Siegertyp

Es hat am Ende alle gepasst: Handwerkliches Geschick und Intuition haben Thomas Bläsing aus Hangelsberg, unterstützt von Dirk Wohlgemuth aus Bad Saarow, nicht nur unzählige inspirierende Stunden in der Werkstatt beschert, sondern das Projekt zu einem preisgekrönten werden lassen. Im November 2022 hatte sich das Freundespaar auf eine Reise begeben, bei der vor allem der Weg das Ziel war – auch wenn der Ausgang nun Balsam für die Seele, das Tüpfelchen auf dem „i“ eines Abenteuers namens „Busted Knuckles buildoff“ ist.

Thomas Bläsing, in Storkow aufgewachsen und seit 2020 in Hangelsberg zu Hause, betreibt in Fürstenwalde seit 2003 eine eigene typen-offene Motorradwerkstatt und ist zudem Vertragshändler verschiedener Marken. Zuvor war er seit 1992 Jahre im Auto- und Motorradhaus seines Vaters mit am Start, hat als Mechaniker für Suzuki Deutschland und später Polen Rennserien begleitet – darunter auch die Superbike-EM und -WM. Der heute 52-Jährige hat in wahrsten Wortsinn Benzin im Blut. Motorräder sind sein Leben, weit über das berufliche Maß hinaus.

Seit 2014 gehört Royal Enfield, ein indischer Hersteller mit britischen Wurzeln, zum Portfolio der Firma – für Zweirad-Liebhaber Bläsing fast ein Ritterschlag, ist es doch der älteste noch produzierende Motorradhersteller weltweit und er selbst ein großer Fan der Marke. Aktuell fährt er eine Classic 500 mattschwarz. Als Kind – wie in seiner Generation so viele – auf dem Acker schwarz gefahren, mit 16 auf einer MZ ETS den Führerschein gemacht und eine TS 150 stolz als erstes eigenes Bike ausgeführt, hat er 1992 in einer Garage in Storkow angefangen, an Zweirädern zu schrauben. Der gelernte Industriemechaniker hatte nach der Wende noch einmal die Schulbank gedrückt, bis der Kfz-Meisterbrief an der Wand hing.

Stolze Präsentation: Die Royal Enfield Beach Cruiser aus Oder-Spree hat auf der "Artride"-Ausstellung beim "Wheels and Waves"-Festival in Frabkreich für Furore und einen Sieg gesorgt. Foto: Viola Wohlgemuth
Stolze Präsentation: Die Royal Enfield Beach Cruiser aus Oder-Spree hat auf der „Artride“-Ausstellung beim „Wheels and Waves“-Festival in Frabkreich für Furore und einen Sieg gesorgt. Foto: Viola Wohlgemuth

Seit 15 Jahren etwa repariert er nicht nur Maschinen, er baut auch selber kreierte Schmuckstücke auf – für sich und als Auftragsprodukt. „Ich verstehe mich da als Künstler, nur eben im technischen Bereich“, sagt er. Und so ist Thomas Bläsing auch an sein jüngstes Projekt herangegangen. Im September hatte Royal Enfield (RE) eine neue Auflage des „Busted Knuckles buildoff“-Wettbewerbs unter all seinen Vertragspartnern ausgelobt. Auf der Basis einer RE sollte ein individuelles Bike entworfen und bei Zuschlag gebaut werden – mit Wiedererkennungswert zum Ausgangsmodell, was nicht funktionstüchtig sein muss. „Wir hatten aber gleich den Anspruch, dass es fahren und zulassungsfähig sein sollte“, betont der Hangelsberger.

Im tiefsten Winter vom Strandfeeling inspiriert

Sein sechs Jahre älterer Freund Dirk Wohlgemuth, ein Dachklempnermeister, mit dem er dem Hobby seit gut zehn Jahren frönt, war sofort mit im Boot und das Gespann nahm das Vorhaben in gewohnter Arbeitsteilung in Angriff. Grob gesagt, kümmert sich Wohlgemuth um die Metallarbeiten, Elektrik, Fahrwerk und Motoren sind Bläsings Metier. Im November haben sie das Projekt eingereicht, am 15. Dezember kam die Nachricht, dass der „Beach Cruiser“ mit sechs weiteren Bewerbern im Rennen ist. Ein tschechisches Team durfte mit einem Seitenwagengespann antreten, ein englisches wollte eine klassische Sportmaschine bauen, Belgier setzten auf einen Cruiser, Italiener auf einen „Café Racer“, Spanier brachten ein Reisemotorrad an den Start und aus Frankreich war ein „Drag Racer“ zugelassen worden. Ohne zu wissen, bei welcher Gelegenheit sich alle sieben Teams den Juroren stellen werden, hieß es, sich sputen. Ein gutes halbes Jahr später musste alles fertig sein. „Es war schon verrückt, bei uns war Winter und wir bastelten an einem ,Beach Cruiser‘“, schmunzelt Bläsing. Dabei war die größte Herausforderung die knappe Zeit und das Finden der passenden Teile. „Normal braucht man ein Jahr für so ein Projekt“, sagt der 52-Jährige.

Der Beginn eines wunderbaren Projekts: Die Royal Enfield Interceptor 500 komplett zerlegt und zersägt. Foto: Thomas Bläsing
Der Beginn eines wunderbaren Projekts: Die Royal Enfield Interceptor 650 wurde komplett zerlegt und zersägt – bis nicht mehr viel übrig war. Foto: Thomas Bläsing

Der Hangelsberger hatte sich für eine RE Interceptor 650 als Basis entschieden. Die wurde in der Saarower Werkstatt erst einmal zerlegt und zersägt. Dann wurde sie von der Pike an aufgebaut und dabei mit Augenmaß und Respekt gegenüber der Marke verändert, ohne das ursprüngliche Wesen auszulöschen. Und dabei ging das Duo durchaus detailverliebt zu Sache. Ob Äußerlichkeiten wie Tank, Lampenmaske, Lenkerarmaturen und Fußraste oder das Innenleben wie Riemen- statt Kettenantrieb, LED, hydraulische Kupplung und umverlegter Elektrik – die Bastler sparten nicht mit eigenem Stil. Und natürlich sollte das Bike auch ein Hingucker werden. Dabei lieferte der „Beach“ Inspiration. Ein ausziehbarer Handtuchhalter am hölzernen (!) Sitz aus heimischer Akazie und Buche sowie die Farbwahl – das Blau des Meeres und das Gelb der Sonne – machten das Kunstwerk perfekt. „Als wir dann erfuhren, wo die Präsentation stattfinden wird, machte alles noch mehr Sinn“, sagt Thomas Bläsing. Denn es ging Ende Juni auf die „Artride“-Ausstellung, die im Rahmen des Festivals „Wheels und Waves“ (Räder und Wellen) in Biarritz an der französischen Atlantikküste stattfindet. „Wir hatten sogar nen Surfer als Signet auf dem Tank verewigt“, hätte das Gesamtpaket nicht treffender ausfallen können.

Detailverliebt: Die Farben, das Logo, die Holzbank und der Handtuchhalter lassen Strandfeeling aufkommen. Foto: Thomas Bläsing
Detailverliebt: Die Farben, das Logo, die Holzbank und der Handtuchhalter lassen beim bloßen Anblick Strandfeeling aufkommen. Foto: Thomas Bläsing

Dass sie mit ihrem Custombike einen Volltreffer landeten und mit dem Sieg Thomas Bläsing nun einer Reise nach Indien zum größten Royal-Enfield-Festival bevorsteht, freut das Duo natürlich. Aber, allein schon das Projekt und sein Ergebnis hat beide sehr stolz gemacht. Aber, fährt sie den tatsächlich? „Ja, macht sie! Mitte Mai haben wir es das erste Mal ausprobiert.“ Aber, schiebt Bläsing sogleich hinterher, dafür sei die Maschine letztlich nicht gedacht, weil sie einfach zu kostbar ist. „Sie ist dazu da, zu zeigen, was machbar ist.“ Er hat sich sehr über die Reaktionen der Besucher in Biarritz gefreut. Sie erinnere an Florida, und selbst nach genauer Inaugenscheinnahme sei immer noch ein neues, verändertes Detail zu entdecken gewesen.

Heimfahrt: Thomas Bläsing fuhrt die 3000 Kilometer von Biarritz an der französischen Atlantikküste nach Hangelsberg auf seiner geliebten Royal Enfield Classic 500 fernab von Autobahnen und Schnellstraßen zurück. Foto: Thomas Bläsing
Geruhsame Heimfahrt: Thomas Bläsing fuhrt die rund 3000 Kilometer von Biarritz an der französischen Atlantikküste nach Hangelsberg auf seiner geliebten Royal Enfield Classic 500 fernab von Autobahnen und Schnellstraßen zurück. Foto: Thomas Bläsing

Nach dem Festival ging es für die Freunde wieder zurück in die Heimat. Für die 3000 Kilometer hatte Thomas Bläsing sich den Luxus geleistet, seine RE Classic 500 mit nach Frankreich zu nehmen. Binnen sieben Tagen ist er – Autobahnen und Schnellstraßen meidend – gemütlich zurückgefahren, hat Freunde besucht, sich nette Ecken angeschaut … „Es war ein Traum.“ (Anke Beißer)