Im August, also vor rund neun Monaten, haben in Freienbrink zehn „Wappentier-Double“ das Licht der Welt erblickt. Die folgenden Monate bis in den Herbst hinein hielt die Rasselbande, von Simone und Jens Matzke liebevolle ihre Mädels-WG genannt, das Züchterpaar auf Trab. Der Schildkröten-Nachwuchs wollte quasi rund um die Uhr mit frischen Kräutern aus dem Garten versorgt und beobachtet werden, ob es allen denn auch gut geht. „Ein Mädchen, Nummer vier, hat uns Sorgen gemacht, weil sie das Maul nicht richtig öffnen konnte. Aber der Tierarzt meint, dass sich das nicht beheben lasse und die Zeit zeigen wird, ob sie eine Überlebenschance hat“, sagt Jens Matzke. „Grünheide im Blick“ hatte die Matzkes und ihre Mini-Schildkröten besucht und wollte nun wissen, wie es dem Nachwuchs von Berta und Schütze, den beiden europäischen Breitrandschildkröten, ergangen ist.
Mitte November, so erzählt Jens Matzke, wurden die Kleinen so langsam auf die Winterstarre eingestellt, Schritt für Schritt binnen zwei Wochen in immer kühlere Gefilde gebracht, bis sie schließlich am Monats-Ende ihren Winter-Zufluchtsort im Gemüse-Kühlschrank eingenommen hatten. Allerdings nicht, ohne einen Zwischenstopp auf der Waage einzulegen. Mit sechs bis neun Gramm im Sommer aus dem Ei im Inkubator geschlüpft, hatten sich die Schildkröten-Babys inzwischen ein Polster angefuttert und brachten es auf 13 bis 19 Gramm. Allein das Sorgenkind war bei sechs Gramm geblieben – ein Fakt, der die Sorge um das kleine Wesen nicht kleiner werden ließ.
Nun also stand die Winterstarre bevor – heißt zugleich eine Ruhepause für die Züchter? Weit gefehlt. Damit die benötigten fünf Grad konstant gehalten werden, hat der Freienbrinker in die Tür einen Computer-Lüfter eingebaut. „So zirkuliert die Luft ständig und ist überall im Kühlschrank gleich.“ Drei Thermometer, die regelmäßig kontrolliert werden, geben Auskunft, ob alles stimmt. Alle zwei Tage müssen die Matzkes zudem lüften. Und sie kontrollieren den Sand, in den sich die Schildkröten vergraben haben, auf ihren Feuchtgrad. „Ist er zu trocken, verlieren die Tiere zu viel Feuchtigkeit, was bedrohlich für sie wäre.“ Und am 13. Januar wurde ein Wiegen eingeschoben. „Alle hatten ihr Gewicht gehalten“, zog Jens Matzke eine positive Zwischenbilanz.
Nach drei Monaten stand der Auszug aus dem Kühlschrank an
Nach drei Monaten, am 11. Februar, durften die Minis den Kühlschrank dann wieder verlassen. „Die erwachsenen Tiere brauchen fünf Monate Winterstarre. So lange reichen die Reserven der Babys aber noch nicht“, erläutert der Schildkrötenfreund. Auch diesmal wurde die Anpassung an wärmere Temperaturen ganz behutsam gestaltet. Bei zehn Grad ging es auf die Terrasse, in der Nacht ins Schlafzimmer, bei immer kräftiger werdender Sonne immer länger nach draußen – oder unter die Wärmelampe im Wohnzimmer. Kaum aufgewacht, war ständiger Futternachschub gefragt. „Anfangs gar nicht so leicht, weil der Garten ja noch nicht so viel hergibt“, räumt Simone Matzke ein. Die ersten Blättchen der austreibenden Glockenblumen, Butterklee und Vogelmiere kamen in die Futterschälchen. Während neun der Racker immer fideler wurden, ließ das Sorgenkind Lebenszeichen vermissen. „Wir mussten leider feststellen, dass es die Kleine nach dem letzten Wiegen nicht bis zum Ende der Winterstarre geschafft hat.“ Für die Matzkes traurig, aber letztlich eine zu akzeptierende Entscheidung der Natur. „Wir haben sie im Garten unter einem Baum begraben.“
Nun also gilt die volle Aufmerksamkeit neun verbliebenen Schwestern, und die haben seit dem Auszug aus dem Kühlschrank schon kräftig zugelegt. Auch wenn sie nicht viel größer erscheinen, beim Wiegen am 23. März haben sie mit 23 bis 30 Gramm aufgetrumpft und damit schon mehr zugenommen als in den ersten Monaten bis zum Rückzug ins Winterquartier. Und in dem Tempo wird es nun wohl weitergehen.
Und was wird aus den Schildkröten? „Ein paar Abnehmer gibt es schon“, verrät Jens Matzke. In jedem Fall werden diese fachlich gut vorbereitet sein. „Das ist unsere Bedingung.“ Auch die zwei Jungs, die im Oktober 2022 geschlüpft waren, werden ein paar Grundstücke weiter ziehen. „Sie bekommen gerade ein Freiluftgehege. Ich habe auch da fachlich angeleitet und wir werden uns auch künftig beim Füttern gegenseitig helfen“, ist es für die Matzkes sogar eine Win-Win-Situation. Die Nachbarn hatten die Schildkrötenbabys gesehen und sofort ins Herz geschlossen. „Sie hatten Zeit, sich zu belesen und ich gebe auch allen, die ein Tier bekommen, einen Merkzettel mit. Dort stehen Futter- und Haltertipps darauf wie auch die Erinnerung an den Arztbesuch.“ Denn eines ist Simone und Jens Matzke selbstverständlich: Sie wollen ihre Minis in guten Händen wissen, bei Menschen, die wissen, wie mit der Tierart umzugehen ist. (Anke Beißer)