Für Hangelsberg steht ein weiteres Großprojekt an. Die Gemeindevertreter haben auf ihrer jüngsten Sitzung die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 63 „Hangelsberg Bahnüberführung und Bahnhofsumfeld“ beschlossen. Das Vorhaben hat hohe Priorität, ist es doch für die Erreichbarkeit der künftigen Grundschule und des sich entwickelnden GreenWorkParks der ECE Group, einem Unternehmen der Hamburger Otto-Versandhausfamilie, durch Fußgänger und Radfahrer unabdingbar. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die Belegung der Bahnstrecke weiter verdichten wird, was unweigerlich zu noch längeren Schließzeiten der Schranken führt.
Lösung für Fußgänger und Radfahrer gesucht
Und: Im Zuge der bereits laufenden Maßnahmen für den Kfz-Verkehr – Bau der Umfahrung durch den künftigen GreenWorkPark samt Bahnüberführung und Anschluss ans Straßennetz in Höhe Kreuzung Abzweig Wulkow – bietet sich die Möglichkeit, die für Fußgänger und Radfahrer ebenfalls erforderliche Lösung mit Kostenbeteiligung Dritter nach dem sogenannten Eisenbahnkreuzungsgesetz zu realisieren. Beteiligte sind dabei der Landesbetrieb Straßenwesen (LSB), die Bahn und der Bund. „In dieser Konstellation entstünden der Gemeinde keine Kosten“, heißt es in einer Machbarkeitsstudie.
Variantenvergleich liegt vor
Besagte Studio stellt eine technische und wirtschaftliche Prüfung möglicher Varianten dar und führt zu dem aus Sicht aller Kreuzungsbeteiligter umsetzbaren Projekt. „Es geht nicht um die emotional beste oder gestalterisch schönste Lösung“, hatte Ralf Fritze, geschäftsführender Gesellschafter der Bockermann Fritze IngenieurConsult GmbH, die im Auftrag der ECE Group die Betrachtung angestellt hat, in Vorabberatungen erklärt.
Brücke westlich des Gebäudekomplexes
Bei der Untersuchung potenzieller Bauorte – egal ob Eisenbahnüberführung (Tunnel) oder Straßenüberführung (Brücke), so die Bahnsprache – kristallisierte sich eine Variante als die einzig wirtschaftliche und somit umsetzbare heraus. Dabei handelt es sich um eine Brücke, die in einem Bogen ab dem südlich der Bahntrasse gelegenen Parkplatz westlich des denkmalgeschützten Bahnhofsgebäude-Komplexes über die Gleise führt und an der der Bahntrasse zugewandten Seite des nördlichen Parkplatzes an die Straße der Befreiung angebunden wird. Die Bahnsteige werden über Treppen angebunden, nachträglich zu errichtende Aufzüge sollen mit der Planung erfasst und können somit später, wenn der Bedarf und die Finanzierung verifiziert sind, nachgerüstet werden. Diese Variante – sie wird in der Studie mit 5c bezeichnet – wird nicht nur von den Beteiligten der zu schließenden Kreuzungsvereinbarung (also Bund, Bahn und LSB) verfolgt, sondern nun auch mit Rückenwind des Bauausschusses.
Gemeindevertreter verlangten Prüfung weiterer Tunnel-Variante
Die Gemeindevertretung hatte den Beschluss gefasst, eine vom Bürgerbündnis zusätzlich eingereicht Tunnel-Variante auf ihre Machbarkeit einschätzen zu lassen. Dazu war der Bauausschuss am Dienstag (22. Juli) zu einer Sondersitzung einberufen worden. Die fachlichen Erläuterungen zu dem Vorschlag lieferte Peter Schulze. Der ehemaliger Mitarbeiter der DB Netz und heutige Senior-Experte der Bahn ist in Grünheide kein Unbekannter. Er war federführend an der Planung des Vorhabens Bahnhof Fangschleuse (neu) nebst Übergabebahnhof für den Güterverkehr beteiligt. Insofern sprach er nicht als direkt Beteiligter, warf jedoch seine geballte Expertise als externer Berater in die Waagschale.
Bahnberater um Einschätzung gebeten
Zusammengefasst fiel seine Einschätzung wie folgt aus: Die vor allem von den Hangelsbergern gewünschte Alternative eines Tunnels westlich der Bahnhofsgebäude sei grundsätzlich eine sehr gute, weil sie ein wesentliches Problem löst: Wenn der Tunnel örtlich von der bisherigen Trasse getrennt errichtet werden würde, sei die durchgängige Passierbarkeit der Gleise gewährleistet. Der alte Bahnübergang bliebe nutzbar, bis die neue Querungsstelle fertig gestellt ist. Bisher wurde ein Tunnel an Ort und Stelle der derzeitigen Trasse betrachtet, was die (kostspielige) Notwendigkeit einer temporären Überführung mit sich gebracht hätte.

ABER …
Gegen die – aus städtebaulicher Sicht sicher zu bevorzugende – Variante sprechen aus seiner Sicht eine Vielzahlt anderer, schwerwiegenderer Argumente.
Baumwipfelpfad als Vorbild
Während beim Bau der vorgeschlagenen Brückenkonstruktion – sie erinnert an einen Baumwipfelpfad und kann bereits in natura bei Königs Wusterhausen in Augenschein genommen werden – der Eingriff in die Bahnanlagen vernachlässigt werden könne, wären diese bei einem Tunnelbauwerk sehr erheblich. „Mit Blick auf die Lasten der Bahn, die das Bauwerk ja tragen muss, ist ein Planfeststellungverfahren unumgänglich“, schätzt Schulze ein. Das wiederum kann einen erheblichen Zeitrahmen in Anspruch nehmen. „Mit sind Verfahren von 2 bis 22 Jahren bekannt.“ Zudem gibt es eine lange Liste an Planfeststellungsverfahren, die einer Priorisierung unterliegen. „Hangelsberg wird da nicht weit oben rangieren. Hier kommt die Zeitschiene ins Spiel: Sperrungen der Bahnstrecke sind nur bis Ende 2026 sowie in einem kleinen Fenster 2027 möglich. Sie fungiert ab 2027 selbst als Umleitungsstrecke für anderen Bauvorhaben an Bahnstrecken. Ein weiteres Fenster wäre eventuell 2029 gegeben und dann erst wieder 2037.“ Vor dem Hintergrund bezeichnet Schulze es ausgeschlossen, das Projekt „Tunnel“ rechtzeitig umsetzen zu können.

Ein nächstes Stichwort: Eingriff in die Natur. Um die Tunnel-Röhre einschieben zu können, bedarf es eines größeren Platzangebots, das vom Bewuchs freigeräumt werden müsste – bei der Brückenvariante, einem Stelzenbau, sei der Umfang deutlich geringer.
Brückenbau würde Kommune nichts kosten
Und dann sei der Blick auf Finanzen. Nach Stand der Dinge kommt das Bauvorhaben für ein Projekt im Rahmen einer sogenannten Kreuzungsvereinbarung infrage. Das bedeutet: Bund, Bahn und LSB teilen sich die Kosten (zu je einem Drittel). Die Gemeinde wäre dann nur noch für den Anteil Fußgänger- und Radfahrer-Verkehr zuständig. Hier wurde das Gesetz vor geraumer Zeit geändert. Um Kommunen zu entlasten, teilen sich Bund und Land diese Finanzierung ebenso. Auf Grünheide kämen für das überirdische Bauwerk also keine Kosten zu. Auf der anderen Seite sei es laut Schulze ausgeschlossen, dass ein Tunnel ebenfalls auf der Grundlage der gleichen gesetzlichen Bedingungen (Eisenbahnkreuzungsgesetz) realisiert werden kann. Hier wäre eine Vollfinanzierung ausgeschlossen. „Wer eine andere Lösung als die wirtschaftlichste will, muss die Differenz bezahlen.“
Hangelsberger bevorzugten einen Tunnel
Marten Lange-Siebenthaler, Ortsvorsteher von Hangelsberg, hatte in dem Fachausschuss noch einmal betont, dass die Hangelsberger aufgrund vorangegangener, skizzierter Perspektiven immer von einem Tunnel ausgegangen sind. Der Weg aus dem Ort zur Grundschule werde bei einer Brücke nicht unerheblich weiter. Zudem erscheint diese für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen schwer zu überwinden.
Bauausschuss empfiehlt Brücke
Dass die Vorzugsvariante Tunnel wegen der vorgetragenen Fakten nicht mehr als umsetzbar erscheint, wurde in der Runde dann aber offenbar als gegeben aufgenommen. Der Ausschuss sprach mehrheitlich die Empfehlung aus, der Planung besagte Variante 5c zu Grunde zu legen – mit dem ausdrücklichen Hinweis, die später mögliche Nachrüstung mit Aufzügen zu berücksichtigen.
Aufwändige Betrachtung des Bahnhofsumfeldes
Übrigens: Der Verweis auf das enge Zeitfenster sorgte für die Nachfrage, ob eine frühere Beschäftigung mit der Planung etwas geändert hatte. Hauptamtsleiterin Julia Müller erinnerte daran, dass der Bebauungsplan 57 „Gewerbegebiet Hangelsberg Nord“ erst Ende 2023 beschlossen wurde. Erst in dem Zuge rückte eine Betrachtung des Bahnhofsumfeldes in den Fokus. Und dass die Machbarkeitsstudie eineinhalb Jahre in Anspruch genommen hat, dafür lieferte Ralf Fritze vom ausführenden Ingenieurbüro die Erklärung: Die Bestandsaufnahmen, Analysen und Abstimmung mit allen Partnern wurden für alle infrage kommenden Varianten abgearbeitet. Sie alle wurden bis zum Status einer Vorentwurfsplanung vorangetrieben und sind in das Papier (es hat 209 Seiten und ist im Bürgerinformationsportal einsehbar; d. Red.) eingeflossen. (Anke Beißer)