Die nächsten Zimmer sind vergeben – und die ersten Bäume gepflanzt

Es war eine besondere Premiere, die bei den Geehrten sehr gut ankam: Beim traditionellen Sommerfest des Olympischen und Paralympischen Zentrums Kienbaums sind erstmals ein halbes Dutzend neu gepflanzte Bäume verdienten Trainern und Funktionären gewidmet worden, die mehr als ihr halbes Leben mit dem Sportzentrum in dem Grünheider Ortsteil verbunden und diesem treugeblieben sind, als langjährige Begleiter auf eine fünf Jahrzehnte oder gar länger andauernde Zeit mit und in Kienbaum zurückblicken. Oder, wie es Geschäftsführer Martin Rieprecht bei seiner Würdigung ausdrückte: „Es gibt Menschen, die hinterlassen Spuren, schlagen Wurzeln. Und genau das, die tiefe Verwurzelung mit Kienbaum, wollen wir sichtbar machen. Ein Baum steht für vieles, was euch auszeichnet: Er wächst nicht über Nacht, sondern Jahr für Jahr. Seine Wurzeln geben Halt, sein Stamm trotzt dem Wind, auch wenn der sich dreht.“

Premiere beim Sommerfest des Sports

Die auf diese besondere Weise Ausgezeichneten sind der 69-jährige Detlef Ultsch, Judo-Olympiasieger 1980 und zweimaliger Weltmeister sowie von 2009 bis 2016 Bundestrainer, die ehemaligen Leichtathletik-Trainer Klaus Schneider (74) und Helke Zöllkau (64), Turn-Trainer Hubert Brylok (65) aus Halle/Saale und der ein Jahr ältere Georg Leopold, der als Bob-Trainer nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, den Niederlanden und auf Jamaika gearbeitet hat. Ältester im Bunde ist mit 75 Jahren Werner Goldmann, der einst unter anderem Kugelstoßer Ulf Timmermann und Diskuswerfer Robert Harting trainierte. „Ihr habt diesem Ort nicht nur Eure Zeit geschenkt, sondern auch Eure Erfahrung, Eure Haltung, Eure Kraft. Ihr habt Talente entdeckt, Karrieren gefördert, Menschen geprägt. Und seid dabei selbst immer Teil von Kienbaum geblieben – ehrlich, beständig, bodenständig“, sagte Rieprecht. „Eine wirklich tolle Idee“, sagte Leopold über die Baumwidmungen. Eine kleine farbige Gießkanne mit den Namen der Geehrten wird an diesen besonderen Tag erinnern.

Ehre, wem Ehre gebührt: Hubert Brylok (Turnen), Werner Goldmann (Leichtathletik), Detlef Ultsch (Judo) und Gerd Leopold (Bob, von links) begleiten seit 50 Jahren das Training in und die Entwicklung vom Zentrum in Kienbaum und sind die ersten Persönlichkeiten, denen eine Baumwidmung als Ehre zuteilwurde. Foto: Anke Beißer
Ehre, wem Ehre gebührt: Hubert Brylok (Turnen), Werner Goldmann (Leichtathletik), Detlef Ultsch (Judo) und Gerd Leopold (Bob, von links) begleiten seit 50 Jahren das Training in und die Entwicklung vom Zentrum in Kienbaum und sind die ersten Persönlichkeiten, denen eine Baumwidmung als Ehre zuteilwurde. Foto: Anke Beißer

Ein besonderer Tag war es auch für Lisa Unruh und Andreas Toba. Ab sofort nämlich tragen zwei „Wohlfühlzimmer“ in Wohnpavillon 4 die Namen der beiden erfolgreichen Sportler. Diese Ehre war bisher unter anderem der Bobpilotin Mariama Jamanka, dem Kanuten Ronald Rauhe, Volleyballer Georg Grozer sowie den Turnern Fabian Hambüchen und Marcel Nguyen zuteil geworden.

Turner mit unbändiger Leidenschaft

Da reiht sich nun also der 34-jährige Toba ein, der seine internationale Karriere im Mai mit der Silbermedaille am Reck bei der Heim-EM in Leipzig beendet hatte. In die Herzen der Fans hatte er sich aber vor allem 2016 als „Hero de Janeiro“ geturnt, als er sich im Mannschafts-Vorkampf am Boden einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, anschließend mit der besten Wertung am Pauschenpferd aber noch dafür sorgte, dass das DTB-Team ins olympische Finale einzog. In seiner Laudatio erinnerte Jens Milbradt, der den 31-fachen Medaillengewinner bei deutschen Meisterschaften erstmals vor 21 Jahren, im Herbst 2004 als Jugendtrainer des Turnerbundes betreut hatte, an dessen Leistungswillen und Trainingsfleiß. „Andi hatte Talent, ja, auch seine technischen Defizite – vor allem aber immer eine unbändige Leidenschaft.“

Hat jetzt sein Wohlfühlzimmer in Kienbaum: Andreas Toba (links) - hier mit Jens Milbradt, Cheftrainer der deutschen Turner, der die Laudatio zu der Ehrung hielt. Foto: Anke Beißer
Hat jetzt sein Wohlfühlzimmer in Kienbaum: Andreas Toba (links) – hier mit Jens Milbradt, Cheftrainer der deutschen Turner, der die Laudatio zu der Ehrung hielt. Foto: Anke Beißer

Andreas Toba zeigte sich „sehr berührt. Ich habe mich immer sehr wohlgefühlt und die optimalen Bedingungen zu schätzen gewusst. Als ich mich nach meinem letzten Trainingslehrgang von allen verabschiedet habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich hier mal ein Zimmer mit meinem Namen bekommen würde. Wir reden bei meinen Vorgängern immerhin von großen Namen, die viel mehr gewonnen haben als ich.“ Der Hannoveraner wird sein Wohlfühlzimmer in Kienbaum wohl auch hin und wieder selbst nutzen: Seit Juli arbeitet Andreas Toba als Trainer in seiner Heimatstadt und wird also sicher gelegentlich auf das vertraute Gelände am Liebenberger See zurückkehren.

„In der Unruh liegt die Kraft“

Zimmer 12 im Pavillon 4 trägt ab sofort den Namen von Lisa Unruh – der 12.4. ist das Geburtsdatum der mittlerweile 37 Jahre alten Berlinerin. 2016 hatte die Beamtin der Bundespolizei mit Silber in Rio die erste Einzelmedaille überhaupt für die deutschen Bogenschützen gewonnen, 2021 folgte in Tokio Bronze im Mannschaftswettbewerb der Frauen. Nicht zuletzt daran erinnerte die 13 Jahre jüngere Charline Schwarz, für die es damals der erste große Wettkampf im Erwachsenenbereich war und die unheimlich von der Erfahrung der Teamkollegin profitierte. „In der Unruh liegt die Kraft“, zitierte sie eine Schlagzeile, „und das stimmte“, ergänzte die 24-Jährige. Die erfolgreichste deutsche Schützin sei „ein Mensch mit einem großen Herzen“, immer ansteckend fröhlich, aber auch anpackend, lobte die Laudatorin. „ich bin sehr froh, dass sich unsere Karrieren überschnitten haben.“

Ebenfalls mit Wohlführzimmer bedacht: Bogenschützin Lisa Unruh (links) wurde von ihrer ehemaligen Teamkollegin Charline Schwarz mit sehr emotionalen Worten gewürdigt. Foto: Anke Beißer
Ebenfalls mit Wohlfühlzimmer bedacht: Bogenschützin Lisa Unruh (links) wurde von ihrer ehemaligen Teamkollegin Charline Schwarz mit sehr emotionalen Worten gewürdigt. Foto: Anke Beißer

Lisa Unruh, die ihre Laufbahn vor ziemlich genau drei Jahren beendet hatte, erinnerte sich, dass sie mit neun zum ersten Mal in Kienbaum war. „Damals haben wir noch in den ganz alten Bungalows geschlafen. Dass jetzt ein Zimmer ihren Namen trage, sei eine „übelst riesengroße Ehre“.

Mit Spannung erwartet: die Verleihung des Kienbaum-Awards

Der vielleicht emotionalste Moment des Sommerfestes war aber wohl wieder einmal die Verleihung des Kienbaum-Awards. Auch, weil diese Auszeichnung von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Olympischen und Paralympischen Zentrums vergeben wird, und das nicht vordergründig für die sportlichen Leistungen des Geehrten, sondern für menschliche Werte und Vorbildwirkung.

Und der Gewinner ist: Tim Hecker (Mitte). Der Kanute hat sich sichtlich über die Ehrung erfreut und das mit Jubel-Gesten auch frei heraus kundgetan. Foto: Anke Beißer
Und der Gewinner ist: Tim Hecker. Der Kanute hat sich sichtlich über die Ehrung mit dem Kienbaum-Award gefreut und das mit Jubel-Gesten auch frei heraus kundgetan. Foto: Anke Beißer

Entsprechend fiel die Laudatio von Lisa Vogel, Leiterin Kommunikation, für den Rennkanuten Tim Hecker aus. Der 27-jährige sei „ein feiner Kerl, ein Mensch, der uns alle begeistert. Nicht nur mit seinem Können, sondern auch mit seinem Charakter. Einer, der morgens als Erster im Kraftraum ist und trotzdem jeden mit einem Lächeln begrüßt. Der sich nie über andere stellt, aber immer für andere da ist. Der seine Erfolge nicht feiert, um sich zu erhöhen, sondern um sie zu teilen – mit seinem Team, seinen Mitstreitern und seinen Fans. Wir sprechen über jemanden, der nicht nur Medaillen gesammelt hat, sondern Herzen.“

Dank von Herzen gern zurückgegeben

Dem Berliner war die ehrliche Freude über die Auszeichnung mit diesem ganz besonderen Award anzumerken. „Ich bin unheimlich stolz und dankbar. Vielen, vielen Dank an die Mitarbeitenden in Kienbaum. Es macht mir große Freude, auch etwas zurückzugeben“, sagte Hecker, zweimaliger Weltmeister und Olympia-Dritter von Tokio im Zweier-Canadier.

Aufmerksamkeit für den Para-Sport: Zur Demonstration und zum eigenen Spaß haben das Sitzvolleyball-Damen-Nationalteam und das Volleyball Nationalteam der Männer gemischte Mannschaften gebildet und sich ein aktionsreiches Match geliefert. Foto: Anke Beißer
Aufmerksamkeit für den Para-Sport: Zur Demonstration und zum eigenen Spaß haben das Sitzvolleyball-Damen-Nationalteam und die U23-Volleyball-Männer gemischte Mannschaften gebildet und sich ein aktionsreiches Match geliefert. Foto: Anke Beißer

Ein Anliegen des geselligen frühen Abends mit gesunden Bowls und gebratenen Garnelen, Hühnchengeschnetzeltem und jeder Menge Obst, mit alkoholfreien Getränken und auch dem einen oder anderen Wild Berry Lillet war es, den Behindertensport etwas mehr in den Fokus zu rücken. Das hat auch Olaf Tabor vom Deutschen Olympischen Sportbund, Vorsitzender des Trägervereins des Sportzentrums, bei seiner Begrüßungsrede betont. So konnten sich alle Gäste neben Gesprächen mit den Para-Athleten auf einem Rollstuhl-Parcours ausprobieren. Und schon zu Beginn der Veranstaltung hatte die Sitzvolleyball-Nationalmannschaft der Frauen ihren Sport präsentiert – in gemeinsamen Teams mit den U23-Männern des Deutschen Volleyball-Verbandes, die mit ebenso viel Freude wie Ehrgeiz bei der Sache waren. (Anke Beißer)