Abschied aus dem Rathaus – Für Kerstin Lang beginnt ein neues Kapitel

„Morgens Bewegung, nachmittags Stille. Ich bleibe ein Frühmensch, ich will keine Zwänge, aber Struktur.“ So sieht der Lebensplan von Kerstin Lang aus, die seit Sommer 1989 in Grünheide lebt und sich seither um die Finanzen der Gemeinde gekümmert hat. Die 63-Jährige ist Anfang November in den vorzeitigen Ruhestand getreten und freut sich auf das neue Kapitel, das jetzt vor ihr liegt –  mit mehr Zeit für sich, den Partner, die Familie und Freunde. Einmal in der Woche will sie ihre Enkel (9 und 16 Jahre alt) in Potsdam besuchen, regelmäßig ins Fitnessstudio gehen. Vormittags, so ist der Plan. Sie freue sich auf ihre Freundinnen mit jeweils anderen Anknüpfungspunkten, auf ihre Bücher, Besuche von klassischen Konzerten mit möglichst großen Orchestern und Ausstellungsbesuche, die gern zum Familien-Event werden. Und sie freut sich auf die Ostsee, ihren Sehnsuchtsort.

 

Großer, feierlicher Abschied von Kerstin Lang im Rathaus der Gemeinde. Eine Ära ist beendet und eine neue Epoche beginnt. Foto: Ariane Kaatz
Großer, feierlicher Abschied von Kerstin Lang im Rathaus der Gemeinde. Eine Ära ist beendet und eine neue Epoche beginnt. Foto: Ariane Kaatz

„Die Ostsee ist meine innere Heimat.“

„Ich möchte jeden Winkel kennenlernen, rundherum jeden Ort entdecken.“ Das Transportmittel steht seit Jahren fest: ein Segelboot. Auch wenn ihr die Wackelei mitunter mächtig zusetzt – Kerstin Lang steckt das weg. Zu groß ist die Verbundenheit, die Faszination. Es sei immer dasselbe, wenn das Meer erst einmal vor ihr liegt: „Der weite Blick, der Horizont, an dem ich mich nicht sattsehen kann. Die Ostsee ist meine innere Heimat“, schwärmt die Grünheiderin. Und beim Segeln gebe es keine Grenzen. „Das Skandinavische ist mit sehr nahe“, sagt sie und verweist mit einem Lächeln auf ihren Vornamen – eine eben skandinavische Abwandlung von Christiane. Es sei die Lebensart, das Meer vor der Nase, der Himmel nicht weit weg. Jeden Tag Sonne? Das brauche sie nicht. „Weht ein frischer Wind, ziehen wir uns wärmer an.“

Lieblingsblick: Einer der schönsten Plätz in Grünheide ist für Kerstin Lang der Sandstrand Am Schlangenluch mit dem Füßen liegenden Peetzsee. Foto: Anke Beißer
Lieblingsblick: Einer der schönsten Plätze in Grünheide ist für Kerstin Lang der Sandstrand Am Schlangenluch mit dem zu Füßen liegenden Peetzsee. Foto: Anke Beißer

Dieser Pragmatismus hat ihr auch in ihrem Berufsleben geholfen. Gab es ein Problem, stellte sie sich die Frage, wie es sich lösen lässt. Experimente kamen für sie als Kämmerin nie Frage, neue Wege zu beschreiten jedoch schon. Aber immer geleitet von ihrer Maxime: Sicherheit und Nachhaltigkeit. „Wir haben all die Jahre nie einen Kommunalkredit gebraucht, um die Liquidität zu wahren“, konstatiert die 63-Jährige stolz.

In Dresden geboren, viele Jahre in Berlin gelebt, in Grünheide heimisch geworden

In Dresden geboren, wo ihre Eltern studierten, ging es für die junge Familie letztlich beruflich nach Berlin. Kerstin Lang hat nach der Schule in Karlshorst Außenwirtschaft studiert und schließlich im Außenhandelsbetrieb Fortschritt Landmaschinen gearbeitet. Ihre ersten zwei Kinder wurden geboren und im August 1989 zog das Familien-Quartett nach Grünheide. Auf der Suche nach einer Arbeit vor Ort bekam sie den Tipp, dass die Leiterstelle Finanzen in der Gemeindeverwaltung frei war. Es klappte, was ihr einen sicheren Job vor der Haustür bescherte, anspruchsvoll und abwechslungsreich zugleich. Und sie wurde von „tollen Kollegen“ empfangen und in ihr neues Aufgabefeld eingeführt. „Angelika Meyke war die Leiterin der Buchhaltung und sie hat mir alles erklärt. Wie das Dorf funktioniert und wie der Haushalt“, erinnert sich Kerstin Lang. Die ersten Monate haben da noch die Gesetze und Regeln der DDR gegolten, habe sich die Eigenständigkeit in Grenzen gehalten. „Ab dann, nach der Wiedervereinigung, wurde es spannend.“

Bildung mitnehmen, wo immer es geht

Mit Heinz Friedrich, Bürgermeister von Grünheide, und Norbert Niche, Bürgermeister von Kagel, hat sie in Bergneustadt bei Köln einen einwöchigen Grundkurs in deutschem Haushaltsrecht absolviert. Nachdem 1991 ein weiterer Sohn die Familie komplettiert hatte, legte Kerstin Lang eine Qualifikation für den gehobenen Verwaltungsdienst und den Master im Europäischen Verwaltungsrecht nach. „Es war immer mein Bestreben, an Bildung mitzunehmen, was geht. Ich wollte immer bereit sein, auf der Höhe der Zeit, offen für Veränderung.“

Die Kämmerin bezeichnet ihr Berufsleben als eines mit „traumhaften Arbeitsbedingungen. Woanders hätte ich sicher Karriere gemacht und besseres Geld bekommen. Aber der Job hier passte am besten zu mir.“ Dazu gehöre auch, dass sie lediglich unter zwei Chefs gearbeitet hat – zuerst Heinz Friedrich und ab 2003 Arne Christiani. Es habe immer ein großes Vertrauen geherrscht, sie sei stets ernst genommen, in die Prozesse einbezogen, nie abgewiesen worden. „Und es waren beide sehr visionäre Chefs.“

Sonnen- und Schattenseiten im Beruf

Zu ihren schönsten Momenten in all den Jahren in der Verwaltung zählt Kerstin Lang die Entwicklung der Ortsmitte. „In der Phase wurde Grünheide so ein bisschen aus dem Status Dorf herausgehoben. Wir haben die Häuser erworben und damit kommunalen Wohnungsbestand sowie Einfluss auf bezahlbaren Mieten.“ Als zweites Beispiel nennt sie das Gymnasium. „Wir haben es allen Widrigkeiten zum Trotz geschafft, es zu bauen und zu vermieten. Die Errungenschaften im Bildungsbereich sind wirklich herausragend.“

Ein Mini-Quartett: Der Löcknitzcampus samt Gymnasium, die Kita in Kagel, die kommunalen Wohnungen in der Grünheider Ortsmitte und der Bürgerpark sind Projekte, die Kerstin Lang seitens der Finanzen - erst in Mark und Pfenning, dann in Euro und Cent - begleitet hat. Fotos: Anke Beißer (3), Archiv Gemeinde Grünheide (Mark)/ Montage: Anke Beißer
Ein Mini-Quartett: Der Löcknitzcampus samt Gymnasium, die Kita in Kagel, die kommunalen Wohnungen in der Grünheider Ortsmitte und der Bürgerpark sind Projekte, die Kerstin Lang seitens der Finanzen – erst in Mark und Pfennig, dann in Euro und Cent – begleitet hat. Fotos: Anke Beißer (3), Archiv Gemeinde Grünheide (Mark)/Montage: Anke Beißer

Aber natürlich gab es ebenso die weniger schönen Momente. Dazu zählt sie die Unberechenbarkeit bei den Steuern. Zweimal flatterte aus dem Nichts eine Rückzahlung in Millionenhöhe ins Haus, die es auszugleichen galt. Und das bisherige Klima in der Gemeindevertretung liegt durchaus als Schatten über ihrer so positiven Erinnerung an ihr Arbeitsleben. „Es gab Phasen, da hat es mich krank gemacht, da hab ich körperlich gemerkt, wie mich das beschäftigt.“ Sie spielt damit auf die Debatten im Gemeinderat an, gespickt mit Unterstellungen von fachlicher Unfähigkeit, Vorwürfen der Unehrlichkeit sowie aufeinanderprallender Respektlosigkeit. „Wir Verwaltungsmitarbeiter wurden immer wieder in eine Verteidigungsposition gedrängt, ohne dass es erforderlich gewesen wäre. Ich habe aber mit der Zeit gelernt, fachliche Angriffe nicht persönlich zu nehmen und zu sagen: „Ich kann das gerade nicht beantworten.“, um Missverständnissen vorzubeugen. Nachfragen finde sie super, aber ohne besagte Unterstellungen und Untertöne.

„Ein traumhaftes Team im Rathaus hat sie auf jeden Fall.“

Seit Anfang November ist ihre Nachfolgerin Coretta Penting im Amt. Seit Mitte 2023 konnte Kerstin Lang sie einarbeiten. Die 63-Jährige sieht die Grünheider Finanzen bei ihr in guten Händen. „Sie setzt die gleichen Prämissen. Es wäre fatal, gleich auf großem Fuß zu leben, wenn die Kassen einmal voller sind. Ich muss absichern, dass auch die Folgejahre gut laufen, eventuelle Engpässe sich überbrücken lassen und vor allem die Folgekosten nicht in den Himmel wachsen. Ich muss langfristig planen.“ Was sie der neuen Kämmerin wünscht? „Ich hoffe, dass die erwähnten Zeiten in der Gemeindevertretung vorbei sind, es einen fairen und respektvollen Umgang gibt. Ein traumhaftes Team im Rathaus hat sie auf jeden Fall an ihrer Seite. So, wie ich es hatte.“ (Anke Beißer)